Wenn man in Barbelroth wohnt, bei Michelin in Karlsruhe arbeitet und jeden Tag mit dem Pkw zur Arbeit fährt, dann kommt man zwangsläufig zweimal am Tag durch Winden.
Zu meinen damaligen Hobbys gehörte auch Singen, aber bei dem traditionelle Männerchor vermisste ich die Leichtigkeit von Shantys, die ich bei dem Marinechor empfunden hatte. Als aber in Winden ein junger Chor gegründet wurde – Modern Voices- da war ich dann dabei, das war und ist meine Musik.
Und so lernte ich auch Winden kennen, das Dorf mit den Gänsen und Störchen. Nur damals hatte ich mit Störchen nichts am Hut, ich wusste, dass es sie gab, denn ich hatte in der Hauptstraße ein Haus entdeckt, auf dessen Kamin ein Reisigbündel thronte und die Ziegel im Umkreis um den Schornstein weiß waren. Das fand ich schon seltsam.
Auf Nachfrage im Chor wurde ich dann aufgeklärt. Störche bauen mit Zweigen ihr Nest an hoch gelegenen Stellen und Störche sind reinliche Vögel, sie koten nie in das Nest. Wenn sie müssen, dann stellen sie sich an den Rand des Nestes, ihr Hinterteil ragt dann fast über das Nest hinaus, plötzlich verlässt dann eine milchig weiße Flüssigkeit ihren Körper und platscht auf die roten Ziegel. Damit war das Rätsel um die weißen Ziegel gelöst.
Die Jahre vergingen, die Fahrten durch Winden gehörten der Vergangenheit an, weil ich mich im Ruhestand befand.
Aber anstatt zu ruhen, fing ich an zu fotografieren, meine Bilder drückten vor allem meinen Lebensstil und mein Einstellung zum Leben aus, sie waren allesamt Sinnbilder. Denn alles was in der Natur lebte, Pflanzen, Tiere Menschen, weckte meine Neugier, diese wunderbaren Geschöpfe im Bild festzuhalten.
Als ich dann eines Tages in der Rheinpfalz einen Aufruf zur Mitarbeit bei dem Projekt „Storchenwanderweg in Winden“ las, war sofort das Bild der weißen Dachziegeln vor meinem Auge und ich fragte an ob sie einen Fotografen brauchen können. Es meldete sich Frank Ebersoldt und Harry Meyer. Mit letzterem traf ich mich dann, er erklärte mir, dass gute Fotos von Störchen gesucht werden.
Da fühlte ich mich doch direkt angesprochen und fing gleich an, die Kamera auf Störche zu richten. Das war leichter gesagt wie getan. Die Vögel saßen oben und ich stand unten; wie sollten aus dieser Perspektive gute Bilder entstehen. Ich stand dann wieder vor dem Haus in der Hauptstraße und sah den beiden Störchen in dem Nest zu. Hin und wieder klapperten sie mit ihren Schnäbeln, so als wollten sie sich über mich lustig machen, weil ich am falschen Platz stand.
Ich sah mich um und mir fiel das Haus gegenüber auf und ganz oben in der Gibelspitze sah ich ein Fenster, fast auf der gleichen Höhe wie das gegenüber liegende Storchennest.
Ich fasste mir ein Herz und klingelte bei „Bevier“. Eine Dame mit wachen Augen und einem gesunden Misstrauen in denselben, fragte nach meinem Begehr. „Ich bin vom Storchenverein und soll von Störchen Fotos machen und so wollte ich fragen, ob ich mit meiner Ausrüstung unter Ihr Dach könnte.“ Sie sah mich durchdringend an und fragte, „Wer hat Sie denn zu mir geschickt?“ „ Harry Meyer war das“ antwortete ich forsch. Das schien ihr glaubhaft und sie gestattete mir, ihr nach oben zu folgen.
Als ich das Fenster öffnete, konnte ich das Storchennest mit den beiden Störchen in ca. 20m Entfernung sehen.
Nun muss man wissen, es war Anfang März 2022, das Außen Thermometer zeigte gerade mal 2° an und ich fragte mich, wieso die Störche die Wärme des Südens verlassen hatten und jetzt in der Kälte ausharrten. Aber vielleicht war ja der Nestbau auf dem Kamin der Trick der Vögel, wenn das Haus geheizt wird, dann wird ja auch das Nest warm.
Für mich war diese Kälte nicht so easy, denn nach einer Stunde, die schwere Kamera mit dem Teleobjektiv in den Händen, glaubte ich schon Erfrierungen in den Fingern zu spüren
Aber es kamen auch wärmere Tage und ich konnte jederzeit in das obere Dachzimmer bei Frau Bevier, der ich an dieser Stelle ganz herzlich für ihr Gastfreundschaft danke.
Manfred Berwanger
(Bildquelle: Manfred Berwanger)