Viele Lebensräume sind in unseren aufgeräumten Landschaften und Gärten verloren gegangen, sodass zahlreiche Tiere keinen Unterschlupf mehr finden.
Ein Lebensturm ist Artenförderung auf ca. einem Quadratmeter und bietet verdichteten Wohnraum für verschiedene Tiere auf mehreren Etagen. Diese Stockwerke werden mit unterschiedlichen Materialien ausgestattet. Neben der ökologischen Leistung bereichert ein Lebensturm das Landschaftsbild und sensibilisiert den Betrachter auf das Thema.
Der Lebensturm fördert die biologische Vielfalt. Insbesondere dient er der gezielten Schaffung von Lebensräumen für Nützlinge wie Flor- und Schwebfliegen, Marienkäfer, Ohrwurm, Schlupfwespe und viele weitere Arten. Igel, Vögel, Spinnen, Fledermäuse und Wildbienen, aber auch Schlangen, Mäuse und Eidechsen finden im Turm ein Zuhause und leisten so ihren Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht.
Zum Bau des Gerüstes des Lebensturmes hat man vier gewachsene Eichenstämme an vier U-Schienen, die in Beton stehen, angeflanscht.
Für die Zwischenböden werden wiederum dünnere Eichenstämme verwendet, die dann mit Brettern oder Paletten beplankt werden.
In der unteren Etage, also im Erdgeschoss, werden Reptilien wie Eidechsen und Schlangen in den Fugen von losen Steinen oder mörtellos gebauten Trockensteinmauern ein Quartier finden. In der Mitte der Steine ist ein Laubhaufen für den Igel und Säugetiere wie Mäusen vorgesehen.
Die oberen Etagen werden mit Stroh, Schnittgut (Zweige, Reisig, Chinaschilfgras), Altholz und Nistmöglichkeiten für verschiedene Tiere gefüllt. Nistkästen für Vögel werden ebenso vorhanden sein, wie angebohrte Holzscheite für Wildbienen.
Gebaut wird dieser Turm von engagierten, jungen Erwachsenen, die sich für eine gerechte Welt, ein solidarisches Miteinander und für globale Nachhaltigkeit einsetzen.
Ich möchte Ihnen die Pfadfinder*innen aus Winden vorstellen, die sich dieser SACHE angenommen haben und mit Elan und Begeisterung dieses Projekt gestalten.
Als Pfadfinder*innen wollen sie Teil einer Lösung sein und streben nach nachhaltigen Verbesserungen der Lebens-, Umwelt- und Arbeitsbedingungen für alle Menschen.
Darüber hinaus zielen sie auf die Werte, nach denen die Pfadfinderbewegung seit über 100 Jahre handelt.
Einige dieser Werte konnte ich hautnah am 30. Juli 2022 erleben.
Gabriele Didszonat hatte mir den Tipp gegeben, dass Pfadfinder*innen auf einem Grundstück neben dem Friedhof einen Lebensturm aufbauen wollen.
Gleichzeitig sollte ich noch Fotos von Störchen machen, die auf dem Kirchendach ihr Nest hatten.
Zuerst lernte ich also Dominik Schwind, Leon Kettering und Jonas Müller kennen, die gerade dabei waren, die Eichenstämme zum Aufstellen vorzubereiten. Zwischenzeitlich baute ich meine Kamera auf dem Friedhof auf und machte Aufnahmen von den Störchen auf dem Kirchendach.
Nach einer Stunde bin ich wieder zurück zum Lebensturm Bauplatz gegangen. Mittlerweile waren auch vier Mädels dort eingetroffen, die sich als Pfadfinderinnen zu erkennen gaben. Das hat mich doch etwas überrascht; vor allem, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass es noch Pfadfinder*innen gibt. So aber konnte ich sehen, wie alle in einträchtiger Harmonie mit Baumaterial und Werkzeug umgingen.
Aber die größte Überraschung hat mich sehr nachhaltig beeindruckt; ich habe bei keinem der Pfadfinder*innen ein Mobilphon gesehen, nicht in Pausen und schon gar nicht während der Arbeiten. Natürlich haben alle ein Mobilphon, sie wollen erreichbar sein, aber es bestimmt nicht ihr Leben.
Bis dato hatte ich nur Menschen, vor allem junge Erwachsene, erlebt, die den Blick auf den Bildschirm des Handys gerichtet, die Umwelt fast vollkommen außer Acht ließen. Es war ein regelrechtes Suchtverhalten. Und nun lernte ich bewundernswerte, junge Menschen kennen, die einen gänzlich anderen Lebensstil lebten. Ich selbst war nie Pfadfinder, aber ich war als Jugendlicher 4 Jahre als Nerother Wandervogel unterwegs, einer der letzten bestehenden Wandervogelbünde, welche ihre Wurzeln in der historischen Jugendbewegung hatten.
Wir müssen sofort damit beginnen, unsere Kinder gegen die Manipulation ihrer seelischen und geistigen Entwicklung immun zu machen. Diese Immunisierung kann ausschließlich dadurch erreicht werden, daß jeder heranwachsende Mensch die Technik der Propaganda gründlich zu durchschauen lernt.
Konrad Lorenz (Prof. für vergleichende Psychologie, Verhaltensforscher, Nobelpreisträger 1973)
Genau das erlebte ich nun im Umgang mit den Pfadfinder*innen aus Winden. Auch sie waren in keiner Weise abhängig von der Manipulation eines iPhone. Sie lebten einen selbstbewussten Lebensstil. Sie sind schlicht und einfach Vorbilder.
Am 24.September 2022 war ich wieder auf der Baustelle und erlebte die Zusammenarbeit von Marlene Claus, Felix Petermann, Leon Kettering und Jonas Müller.
Bei einer Tasse Kaffee in der Hofschänke, konnten wir uns austauschen und ich fühlte mich immer mehr an meine Nerother Zeit erinnert.
Auf meine Frage nach einem Lebensmotto, antwortete Feix spontan, „die Bereitschaft unsere Werte umzusetzen.“
Für Leon war seine “Zuverlässigkeit“ Garant seines Lebensstils.
„Nachhaltigkeit“ ist für Jonas ein Lebensbaustein und für Marlene bedeutet „Offenheit“ konstruktive Kritik im Umgang miteinander.
Alle waren sich darin einig, dass bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei der Sinnsuche unterstützt werden. Sie dürfen Fragen stellen und Erlebtes reflektieren. Als Pfadfinder*innen nehmen sie den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jeglicher Form von Gewalt sehr ernst. Insbesondere setzen sie sich gegen sexualisierte Gewalt ein.
Für mich sind diese Pfadfinder*innen sinnhafte Menschen, geprägt durch ihr Elternhaus, Schule, Freunde und DPSG.
Allgemein ist das so, dass man dem eigenen Leben dadurch Sinn gibt, dass man etwas tut, was man für sich für wichtig hält, was einem am Herzen liegt. Wenn es um den Sinn des Lebens geht, spielen Herz und Bauch eine wichtige Rolle. Sinngebung ist auch etwas, das uns glücklich und zufrieden macht.
Felix Petermann macht Musik, ist handwerklich begabt und repariert Traktoren und Autos. Er hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass Menschen mit Inspiration sein Vorbild sind.
Inspirierende Menschen sind meist Menschen, die, um voranzukommen, gerne Risiken eingehen. Sie haben keine Scheu davor, auf die Nase zu fallen. Denn sie wissen: Es kommt danach einzig und alleine darauf an, wieder aufzustehen. Genau das ist es, was Sie sich von diesen Menschen abschauen können.
Über die „Störche“ bin ich den Pfadfinder*innen von Winden begegnet und habe einiges von ihnen gelernt: Ihre wichtigsten Vorbilder finden die Jugendlichen in der Familie ( Mütter, Väter, Großeltern, Geschwister) und im Freundeskreis.
Soziale Beziehungen sind für Jugendliche von heute besonders wichtig. Auch die Themen Gesundheit, Toleranz und Sicherheit gehören dazu.
Dafür herzlichen Dank!
Manfred Berwanger